Icon VÖ: 01.07.2011 Heart of Berlin/Universal Music
Belgien: Schon immer weit mehr als das Land der Pommes und Pralinen. Wer sich mit der Geschichte europäischer Subkultur beschäftigt, der weiß um den eigenwilligen, charakteristischen und jederzeit individuellen Stil der Modemacher und Schmuckdesigner, Maler und Bildhauer, Autoren und Filmemacher aus Brüssel, Antwerpen oder Gent. Gleiches gilt für die Musik. Seitdem dEUS in den frühen 90ern mit ihrem Debüt „Suds & Soda“ durchstarteten, dieser vor mutiger Entschlossenheit, Eigenständigkeit und Leidenschaft überbordenden Initialzündung einer höchst kreativen belgischen Indie-Szene, kam so manche – leider oftmals sträflich versteckte – Überraschungsperle zwischen Indie, Noise, Elektronik und Pop aus Belgien. Von Anbeginn gehörte auch Daan Stuyven dazu, von Haus aus ein Grafik-Designer mit einem Faible für schräg hängenden Pop und einer charismatischen, tiefen Stimme, die The Thes Matt Johnson ebenso zur Ehre gereicht wie dem Johnny Cash aus der „Folsom Prison“-Ära. Sein ruppig-kantiges, in seiner Symbiose aus Sampling und Indierock ziemlich einzigartiges Solodebüt „Profools“ erschien mitten in diese erste Begeisterung ob des neuen belgischen Subkultur-Sounds. Der Eingeweihte erinnert sich: Aus der dEUS-Urbesetzung ging Mitte der 90er eine Vielzahl von Bands und Projekten hervor; während Sänger Tom Barman mit dem Mutterschiff weitermachte, gründete Bassist Stef Kamil Carlens Zita Swoon und entwarf Mode. Gitarrist Rudy Trouvé etablierte sein ‚Heavenhotel’-Label, um dort fast im Monatsturnus irre Platten jenseits aller Genres zu veröffentlichen; darunter eben auch Daans „Profools“ sowie die ersten Veröffentlichungen der Rockband Dead Man Ray, in der Trouvé und Stuyven gemeinsam nach einer neuen Ausdrucksform bluesiger Schwermut suchten. Rund eineinhalb Jahrzehnte später blickt Daan Stuyven auf eine kuriose Situation: In seinem Heimatland mittlerweile ein sicherer Lieferant für kommerziell erfolgreichen klanglichen Individualismus, der Top Ten-Hits ebenso zielsicher entwerfen kann wie außergewöhnliche Filmmusik zu Doku- und Spielfilm-Projekten, beginnt er seine Karriere nur eine Landesgrenze weiter nahezu von vorn. „Ich hatte jahrelang kein richtiges Management und habe mich selber viel zu sehr auf den künstlerischen Teil konzentrieren wollen, als dass ich das Geschäftliche noch hätte miterledigen können“, erklärt er. „Außerdem lief es doch gut hier in Belgien.“ Stimmt: Ab seinem zweiten Album „Bridge Burner“, mit dem er begann, die Schnittmenge aus Indie, Pop und geschmackvoll rollender Elektronik auszuloten, war Daan weit mehr als nur der nächste heiße Tipp. Mit der Single „Swedish Designer Drugs“ gelang ihm sein erster Single-Hit – dem mit dem nächsten Album „Victory“ gleich drei weitere folgten und dem Album zu Goldstatus und Daan zu seinem ersten Zamu Award für das „beste Album des Jahres“ verhalfen. Mit „Victory“ integrierte er vorsätzlich das Element des Kitsches in seinem elektronischen Indiepop- Sound – und nahm damit in seiner ganz eigenen Weise den Electroclash-Hype einige Jahre später vorweg. Doch Daan wäre nicht er, wenn er im Anschluss einfach nach dem nächste Hit gefahndet hätte. Stattdessen erschienen mit „Cinema“ und „Camera“ erst einmal zwei aufwendig gestaltete, inhaltlich überragend vielseitige Zusammenstellungen seiner Filmkompositionen, bevor er mit „The Player“ ein weiteres Album vorlegte, das gleich mehrere erfolgreiche Singles abwarf. „Ich muss als Künstler vor mir immer etwas Mysteriöses, Unausgereiftes und Neues haben, damit mein Interesse konstant und intensiv bleibt“, sagt er. „Ich könnte nie ein Album machen, das von der Idee oder dem Sound her auf dem Vorgänger basiert. Ich brauche das fortwährende Experiment und das Gefühl, ständig etwas zu tun, was ich noch nie gemacht habe. Die Frage: ‚Was wäre, wenn?’ begleitet mich ununterbrochen beim Musikmachen. Das einzige, was sich dabei über die Jahre geändert hat: Man wird subtiler in seinen Mitteln. Es muss nicht mehr die Brechstange sein, die die Veränderungen ankündigt. Auch ein Dietrich öffnet jede Tür.“
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