Als das deutsch-britische Pop-Kollektiv AVOCADOCLUB 2006 nach der vor allem in Japan gut laufenden EP „Girls Use Deodorant These Days“ mit ihrem Longplay-Debut „EVERYBODY´S WRONG“ um die Ecke kommen, ist das Staunen groß. Mit dem weltweiten Indie-Pop- Geheimhit „Too Much Space To Walk Away“ im Gepäck besetzen sie bei radioeins über 2 Wochen die Pole Position der Airplay-Charts. Produziert hat den Song Andre Abshagen („Dauerfisch“), Oliver Korittke, ein Freund der Band, lässt es sich nicht nehmen im Video mitzuspielen, alles ist tres cool, aber natürlich bleibt der ganz große Hype aus. Sein erstes Ziel hat der AVOCADOCLUB erreicht: Sowohl von Mädchen als auch von der Pop-Kritik verehrt zu werden.
War „Everybody?s Wrong“ wie der eher zufällig eingefangene magische Moment eines Studiotüftlers, will Multiinstrumentalist und Songwriter Bendrik Muhs beim zweiten Album raus aus seinem Elfenbeinturm: 3 Monate probt er mit Drummer Daniel Grinstead („Monoland“, „Labrador“) im bandeigenen Studio die Songs. Für den klanglichen Zusammenhalt sorgt von Anfang an Producer/Live+Mastering Engineer Andi „dog“ Jung, der sein genreübergreifendes Talent schon mit Acts wie Beatsteaks und Marteria unter Beweis gestellt hat. Sämtliche Drum-Tracks des Albums werden in einer dreistündigen Session schließlich eingespielt. Der Geist ist eingefangen.
Doch der dreistündigen Aufnahme-Session stehen jetzt drei Jahre Produktion gegenüber. Drei Jahre, in denen das Kollektiv um Mastermind Bendrik Muhs Musiker wie Pat Appleton („Deephaz“), Andrew Carrington („Ten Tenors“), Steffen Zimmer („Gentleman“, „Far East Band“) für die barocken Pop-Spinnweben begeistern kann, die nun Monat für Monat weiter über den Drumtrack gesponnen werden. Die verworfen und perfektioniert, umgestoßen und neu gewoben werden. Dass das Album-Destillat dieser Pop-Tüftelei im CD Player jetzt schlanke achtunddreißig Minuten lang ist, zeigt schon vor der ersten Note, dass die Band ihr Pop- Understatement auf dieser langen Reise zum zweiten Werk nicht verloren hat.
DUSTY NIGHTS schlägt auf mit Pauken und Trompeten. „MORRISON & ME“ ist ein schwitzend groovender Fiebertraum im Dschungel, ein psychedelisches Prog-Rock-Brett, textlich basierend auf einem fiktiven, aber wohl sehr unangenehmen Treffen des AVOCADOCLUB mit Altmeister Van Morrison.
„DUSTY NIGHTS“, das Titelstück des Albums, schlägt ganz neue Töne an, und zeigt zugleich die große Qualität dieser Band: ihr traumwandlerischer Umgang mit musikalischen Stilen: AVOCADOCLUB können klingen wie Madness, die Beatles, oder Elvis Costello, aber eben auch wie ein Horde Indianer auf Peyote, alles im selben Song.
Gerade dem Dschungel entronnen, brauchen AVOCADOCLUB nur ein paar beschwingte Takte um den Hörer völlig glaubhaft in den Alltag einer fragilen mitteleuropäischen Metropolen- Beziehung zu beamen: „She?s educated at Oxford and Eaton/ In playing Risk she?s got me beaten“. Mit dem reizend-wippenden, aber sehr bösen „THE REALIST“ und der opulenten Trennungs-Ballade „KING OF NOTHING AT ALL“ zeigen AVOCADOCLUB die Stadien einer scheiternden Liebe, ehe mit dem strahlenden und genial inszenierten Love-Song „GERALDINE FORD“ der Kreis der Leidenschaft von neuem beginnt. Another girl, another planet.
„THE COMEBACK KID“ versetzt einen unvermittelt in eine Bar, wahrscheinlich ist es spät, ein Alleinunterhalter am Klavier beendet gerade seinen letzten Song ohne viel Reaktion des gelangweilten Publikums, als sein Handy klingelt. Doch was sich jetzt entspinnt ist ein irrwitziger musikalischer Dialog zwischen einem zynischen Agenten und einem abgehalfterten Star. Was AVOCADOCLUB allein in diesem Song an Ideen raus hauen, füllt bei anderen ganze Alben.
Und so geht es weiter: „TONIGHT“ ist wahrscheinlich der beste Oasis-Song, den Noel Gallagher nie geschrieben hat. Das flirrend schöne „MEXICO“ dürfte eh ein Radio-Hit werden. Und dann dieses Finale: „FROZEN ASTRONAUT“ gleitet über zehn Minuten durch die Weiten des Alls: „And he stares out into space/ The ship is silent / There?s no call coming in for days“ haucht es. Geigen schwelgen, verlorene Funksprüche geistern durch das Raumschiff, bis sich selbst die Musik in eine an Brian Eno erinnernde Meditation selbst aufzulösen scheint.
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