Vierkanttretlager

Album: DIE NATUR GREIFT AN
VÖ: 21.09.2011

Label: Unter Schafen Records
Vertrieb: SKROTZKI & KEMPF

Noch nicht mal zwanzig und schon fast altersweise – Vierkanttretlager hoffen und
verzweifeln auf ihrem Debütalbum zugleich. Irgendwo zwischen Element of Crime
und Turbostaat trifft reifes Textwerk auf nordisch-ungestüme Gitarren, der abgeklärte
Greis auf den jungen Wilden. ´Dort wo die Einsamkeit die schönsten Farben trägt´
singt Casper auf dem gemeinsamen Song „Hooligans“ und meint damit die absurde
Romantik kleinbürgerlicher Tristesse. In Husum wächst eine Alternative heran.

Der Wind peitscht, der Regen prasselt und die Flutwellen schlagen dem Seebären
die Pfeife aus der Hand. Darum wird es wohl gehen auf dem Debütalbum der
Husumer Vierkanttretlager, wenn es nun schon „Die Natur greift an“ heißt.

Das möchte man denken und liegt wunderbar falsch: Die Naturgewalt, die
Vierkanttretlager in ihren 11 Liedern so eindringlich beschreiben, ist eine andere: die
Zeit. Der Titel beschreibt in all seinem Pathos am Ende nur die schlichte Erkenntnis
der eigenen Sterblichkeit. Eine Erkenntnis, die typischerweise mit dem Abschluss
eines Lebensabschnitts einhergeht. Bei Vierkanttretlager war das so. Mit nicht mal
zwanzig Jahren haben sie in ihrer Heimatstadt all ihre Pflichten erfüllt. Sie sind also
frei alles zu tun und doch befangen von ihrem Umfeld. Zu hadern gibt es viel,
Vierkanttretlager fangen bei sich selbst an. Sie zücken keinen Zeigefinger, der nicht
auch auf sie selbst zeigt und sind damit Kläger und Angeklagte zugleich. In vollem
Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit versuchen sie sich vor dieser Gewissheit zu
retten, verschließen die Augen, öffnen sie nur, um Schönheit zu sehen. Dennoch
mag man nicht recht sagen, ob es jugendlicher Hochmut ist oder eine alte Seele, die
die Texte der Band belebt. Das Zwiegespräch, das Sänger Max Richard Leßmann
mit seiner Welt führt, ist ein kühles, bedachtes. Doch immer wieder zieht ein Schleier
aus Eifer und Spott über die gesetzten Worte, immer dann, wenn der Junge dem
Greis ins Wort fällt.

Kernstück dieses Wechselspiels aus Entwicklung und Stagnation, der
Menschwerdung und der angedeuteten Flucht ist die namensgebende „Die Natur
greift an“ – Trilogie am Ende des Albums. Beginnend mit „Um Schönheit zu sehen“
setzt sie in dem Lebensabschnitt ein, in dem sich die Protagonisten befinden.
Ausgestattet mit dem Wissen und den Regeln unserer Zeit stehen sie da und
beginnen sich unwohl zu fühlen. All das Gerede, das ihren Alltag geformt hat, ist zu
statisch und formelhaft. Sie beginnen also mit winzigen Befreiungsschlägen, auf die
immer größere folgen.
Sie legen ab, was ihnen nicht mehr passt, machen sich mehr und mehr los von allem und stranden so in das nächste Stück „Keine Menschen mehr“. Hier erkennt der plötzlich so freie und scheinbar selbstbestimmte Mensch neben der
Unüberwindbarkeit seiner Dogmen und dem damit verbundenen Schmerz auch eine
große Notwendigkeit. Um welchen Preis gilt es also frei zu sein? Aus der Gewalt
dieses inneren Kampfes wird man nun in die anfängliche Stille eines Sprechstücks
entlassen. Eindringlich erzählt die personifizierte Menschheit, ein unüberschaubares
Wir, von der Entstehung neuen Lebens. Den neuen Menschen in den Armen
wiegend birgt „Gib deinem Leben keinen Sinn“ den Leitfaden durch die für ihn noch
unerschlossene Welt und gibt diesem traurigen Satz einen doch hoffnungsvollen
Kontext. Nur ohne Zwang lockt der Gewinn. Greis und Junge lassen sich in einem
Paddelboot über die Nordsee treiben.

Deutlich ist eines: Es soll nichts verändert werden und das kann es auch gar nicht.
Vierkanttretlager möchten die Stimme keiner Bewegung sein, Vierkanttretlager sind
die Stimme des Stillstands und der ist grausam und heilsam zugleich.

 

Weitere Informationen:
http://www.vierkanttretlager.de
http://skrotzki-kempf.com/vierkanttretlager/
http://skrotzki-kempf.com/vktl-presse/

 

 

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