Neues Album „Amazônia“ von Bê Ignacio am 10.03.23 erschienen

„Der Welt eine Alternative zu bieten, die Besserung verspricht,  ist die reinste Form des Protests“ – Lyle Mays

Video zu „Amazônia“

Brasilien ist ein Lebensgefühl, dem Musik nicht ausschließlich, aber besonders intensiv Ausdruck verleiht. Amazonien, der tropische Regenwald, von dessen Gesamtfläche sich mehr als die Hälfte auf brasilianischem Territorium befindet, ist Heimat einer beispiellosen Bio-, Kulturen- und Ethnien-Diversität. Bê Ignacio ist die momentan wirkkräftigste und gleichsam kreativste deutsch-brasilianische Sängerin und Komponistin. Wie weiland Stevie Wonder und Marvin Gaye darf sie sich einer sozialen Antenne, gepaart mit immenser Musikalität ermächtigen, die ihr als Koordinatenachsen zwischen ihren beiden Heimatpunkten São Paulo und Konstanz am Bodensee dienen. Die beiden Orte lesen sich widersprüchlich? Sind sie auch! Zum Glück, denn exakt aus diesen Gegensätzen schöpft Bê Ignacio auf ihrem neuen Album „Amazônia“ eine andere, eindringlichere Spielart brasilianischer Musik. 

Sinnlich, liebevoll und mysteriös sind Attribute, die das Herz den „Amazônia“-Songs unmittelbar zuschreiben will. Zutiefst menschlich, warm und weich lädt die nunmehr sechste Studioeinspielung Bê Ignacios zum Andersentdecken brasilianischer Musikkultur ein. Apropos! Es gibt sie gar nicht, die eine Musikspielweise, auf die sich alle Brasilianer:innen einigen können. Vor ein paar Jahren war eine eigene Adaption von Country & Western Musik das große Ding in dem vielfältigen südamerikanischen Land. Bossa Nova und Samba mussten hinten anstehen. Was also definiert brasilianische Musik? Bê Ignacio hat die Musikkulturhistorie ihres Landes ausgiebig studiert und kommt zum Schluss, dass die Welt gerne zu den Feinheiten der Lieder vom – Pardon! – Zuckerhut schwingt, weil sie auf ein weltumspannendes kulturelles Amalgam bauen. Da seien zum einen die komplexen, geschmeidigen Rhythmen der westafrikanischen Diaspora Brasilien, die auf ein sattes Fundament an nordamerikanischen Jazz-Akkorden gestoßen sind, sagt sie. Die wiederum wurden von europäischen Exilanten mit Harmonien der klassischen Musik verbunden.

Exakt vor diesem breitflächigen Schnittpunkt-Panorama lässt Bê Ignacio ihr neues Album „Amazônia“ spielen. Von einer Akustikgitarre getragene traditionelle Metren der Amazonas-Indianer treffen darin auf die sublimen Grooves und die belebenden Harmonien eines Streichquartetts, das Bê Ignacios eindringlich-schöner Stimme sattsam Platz zum Entfalten ihres Gesangsausdrucks bietet. Hier und da taucht eine lüsterne Klarinette zur zusätzlichen Lockerung der feinen, unmittelbar vitalisierenden Spannung auf. Transparenz ist das Leitmotiv der „Amazônia“-Etappe, mit der sich Bê Ignacio selbst ein geradezu tastbares Denkmal setzt, das vor lauter innerer Schönheit glitzert und glänzt. Kein Loop, kein Sequenzer, keine Simulationen hätten ihre Berechtigung auf „Amazônia“. Zum Erreichen der echten Wärme in Klang und Ausdruck erweiterte Bê Ignacio, die zuvor mit Nils Wülker und dem vormaligen Prince-Pianisten Renato Neto zusammengearbeitet hat, ihren Musiker-Freundeskreis um ein paar ausgewählte Feinmotoriker.

Das Aufeinandertreffen von Streichquartett, Stimme, Gitarre, unaufdringlicher Percussion und Holzblasinstrumenten zollt Bê Ignacios musikalischer Sozialisation erstmals allumgreifend Tribut. Die geschmeidigen „Amazônia“-Rhythmen und das sehnsüchtig-hoffnungsvolle Moment in ihrer Stimme spiegeln klar ihr Heranwachsen in São Paulo. Der darauf treffende Sinn für Streicher ist Teil ihrer abendländischen Wurzeln. Etliche Berufsmusiker, von denen einige bei den Wiener Philharmonikern spielten, zählen zu Ignacios Familienbande diesseits des Atlantiks. Das „Amazônia“-Streichquartett, dessen Leiter bereits mit Antonio Carlos Jobim kooperiert hatte, wurde derweil in Brasilien unter der Arrangeur-Ägide von Luiz Brasil (Caetano Veloso / Gilberto Gil) aufgenommen. Im Verlauf von fünf Jahren entstanden die neuen Songs, deren Fertigstellung tatsächlich weitgehend in Amazonien stattfand. Den Titel „Amazônia“ wählte Bê Ignacio jedoch in erster Linie für das Album aus, weil ihr der naturgewaltige Regenwald Gedankenbrücken zur Selbstreflexion schuf.

Manche der daraus gewonnenen Erkenntnisse fanden direkte Übersetzungen in Strophen. „Pare de Falar“, was übersetzt einer liebevoll artikulierten, aber durchaus ernst gemeinten Aufforderung zum Klappenhalten entspricht, wird von fröhlich-beschwingter Klarinette eingeleitet. Bê Ignacio bedenkt das allgegenwärtige Hin und Her zwischen Kommunikation und Redeüberfluss dazu mit der Frage, ob wir verlernt haben, einander zuzuhören. Damit ist man auch direkt mitten in der inhaltlichen „Amazônia“-Ausrichtung. Das Album ist keine Protestplatte im eigentlichen Sinne. Gleichwohl zeigt es mit geradezu allumgreifender Liebe zur Menschheit, zur Musik und zum Konstruktiven des menschlichen Geistes Alternativen zum Gegeneinander auf. Kurz nachdem der gerade abgewählte Rechtsaußen-Präsident Brasiliens ins Amt kam, hielt die indigene Aktivistin und Anwältin Vandria Borari aus Amazonien einen Vortrag über die Lebenssituation der Stämme des Regenwalds in Konstanz. Daraus resultierte nicht nur ein enger Dialog, der Bê Ignacio schließlich zum Encontro des Aguas führte, sondern auch die von ihr mitinitiierte Initiative ProAmazonia Konstanz e.V.

Die Bossa Nova „Uma de dois“ ist eine Widerständlerin. Den Polarisierungsversuchen einiger ehemaliger Machthaber zum Trotz, beruhigt zu sich verzahnenden, kraftgebenden Harmonien mit der Gewissheit, niemals alleine für eine lebenswertere Alternative zu Gegebenem einstehen zu müssen. Das in wohldosierte Musik und zutiefst empathische Worte gegossene Wertschätzen von Freude und aufbauendem Handeln als Gegenentwurf zum Zerstörerischen ist das Leitmotiv von „Amazônia“. Oder um es mit Bê Ignacio zu sagen: „O valor de alegria“ – die Verehrung der kleinen Momente der Gemeinsamkeit können Großes bewirken, seien sie anfänglich auch noch so zerbrechlich. Bê Ignacios „Amazônia“ ist die derzeit die schönste Form des musikgewordenen Protests. 


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