Andreas Dorau

Album: Todesmelodien

VÖ: 17.06.2011
Staatsakt./Rough Trade

 

 

Andreas Dorau steht für intelligenten und humorvollen Pop, irgendwo zwischen Postpunk, Samplekunst und Clubmusik. Sein neues Album klingt wie eine Reise durch die gesamt Popgeschichte und spiegelt dabei doch völlig den Zeitgeist wider. Typisch Dorau eben.

„Todesmelodien“ heißt das neue Werk und ist sein bisher dunkelstes und finsterstes Album geworden. Er setzt sich darin auf seine Weise mit Tod und Vergänglichkeit auseinander.
Was das Popgeschäft angeht, gibt es Kurzlebigkeit natürlich nur für die Verlierer: Stars und ihre Hits sind für die Ewigkeit und überdauern uns am Ende alle. Wer wüsste das besser als Andreas Dorau, der schon als Fünfzehnjähriger einen solchen Hit schrieb?

Nur folgerichtig erscheint uns, dass der Künstler gleich zu Beginn seines prämortalen Albums dem tragischen Musik-Produzenten Phil Spector Tribut zollt. Am 29.Mai 2009 wurde dieser wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt – sein Wall-Of-Sound (vgl. THE RONETTES „Be My Baby“) erklingt aber noch heute aus jeder Jukebox…
Spector ist eine Figur, die auf der Produzentenseite für die Popmusik ebenso wichtig ist wie Elvis Presley auf der Performerseite – und nun wartet er fatalerweise im Gefängnis auf seinen irdischen Tod. Seine Musik hat ihn gewissermaßen schon zu Lebzeiten überdauert.

Pop ist eben nicht nur Glamour – Pop ist auch ein Garant für die menschliche Tragödie. Allein deshalb scheint es nur allzu konsequent im besagten Album Opener „Größenwahn“ im Spector-typischen Wall-Of-Sound die Hybris zu besingen: Irdische Anmaßung hat von jeher die Menschen ins Verderben getrieben – aber ein Stück weit gehört sie zur Popkarriere wie die Würfel zum Sensemann…

Dorau beschreibt uns in seinen Liedern die abstoßenden Flecken auf dem Pailletten-Kleid, jene schwarze Angst-Materie aus der ein Künstler einen Song erstrahlen lässt.
„Selbst korrupte, dumme Schweine: Alle werden Edelsteine“ prophezeit uns so der zornige Popstar mit den Worten seines Freundes und Weggefährten Wolfgang Müller. Die Musik schuf das Hamburger Electro-Duo DIE VÖGEL (Mense Reents und Jakobus Siebels), die auch für die meisten Arrangements und Instrumentierungen die „Todesmelodien“ Verantwortung übernehmen.

Den letzten metaphysischen Feinschliff erhielten die Stücke von Andi Thoma von MOUSE ON MARS.
Wo wir schon gerade beim Name-Dropping sind: Die himmlischen Studiochöre auf dem Album singt Inga Humpe.

Wenn dann „Stimmen in der Nacht“ in einem nebulösen Electropop-Schlager davon erzählen, wie dem Protagonisten des nachts ein Geist erscheint, ist man endgültig im Netz der Dorauschen „Todesmelodien“ gefangen.

Auf dem furiosen Album „Todesmelodien“ wird nicht nur das Zwischenmenschliche politisch, sondern auch das Religiöse zur Privatsache. Und die Religion an die Andreas Dorau glaubt ist Pop.

Bevor sich dann in „Es war hell“ das ganze Kunstwerk in ein flammendes Inferno zu verwandeln droht, bleibt uns am Ende immer noch die wundervolle Hitsingle „Gehen (Baby Baby)“ aus der Feder von Carsten „EROBIQUE“ Meyer. Beklagt wird hier der selbstverschuldete Verlust einer Liebe, aber immerhin ist dieser hochmütige, hedonistische, verfressene, geizige, immerzu neidische, sowie genusssüchtige und zornige, fauler alter Sack namens Mensch am Ende noch nicht gestorben. Er bekommt seine allerletzte Chance: Er kauft Doraus neues Album.

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