Label: Gibson Records / BMG
Ein Jahrzehnt ist es her, dass Slash Ft. Myles Kennedy & The Conspirators (SMKC) ihr gemeinsames Debütalbum, das bahnbrechende „Apocalyptic Love“, veröffentlicht haben. Seitdem hat die Band – zu der neben Slash und Sänger Myles Kennedy auch Bassist Todd Kerns, Schlagzeuger Brent Fitz und Rhythmusgitarrist Frank Sidoris gehören – eine beeindruckende Rock’n’Roll-Karriere hingelegt. Sie haben zwei weitere, hochgelobte Alben veröffentlicht (das opulente „World On Fire“ von 2014 und das straightere „Living The Dream“ von 2018) und die Bühnen der Welt, von Nordamerika bis Südostasien, über Europa und Großbritannien bis Australien und Neuseeland, den Nahen Osten und Russland, China, Japan, Südkorea und darüber hinaus bespielt.
Aber bei allem, was sie erreicht haben, und all den Orten, an denen sie Konzerte gespielt haben, blieb es für SMKC immer wichtig, ihre eigenen musikalischen Grenzen zu verschieben und neue kreative Wege zu erkunden.
Nun kommt „4“, das mit Spannung erwartete, brandneue Album von SMKC. Getreu ihrer steten Weiterentwicklung ist es genau das, was man von Slash, Myles, Todd, Brent und Frank erwarten kann, aber auch anders als alles, was man bisher von ihnen gehört hat. Dieses Mal, so Slash, haben sie eine gewisse Magie eingefangen – den Sound von fünf Musikern und Bandkollegen, die einander zuhören und im Zeichen des Live Spirit miteinander Musik machen.
„Es hat etwas sehr Spontanes und Lebendiges an sich. Das liebe ich!“, sagt Slash über „4“. „Das ist wirklich der Hauptunterschied bei dieser Platte – wir haben sie mehr oder weniger live eingespielt, inklusive aller Fehler. Es ist der Sound von uns fünf, wie wir in einem Raum zusammen jammen.“
„Natürlich“, fährt er fort, „kann man ein großartiges Album machen, indem man den Bass und das Schlagzeug aufnimmt und die Gitarren später hinzufügt und all das. Aber diesen Live-Rock’n’Roll-Spirit einzufangen, das ist es doch, was die ganze Sache wirklich besonders macht.“
Und keine Frage: „4“ ist etwas Besonderes. Das Album beginnt mit dem sechssaitigen Fanfarenstoß von Slashs Gibson Les Paul, der wie eine Sirene durch den Song schneidet und vor dem warnt, was da kommen mag – in diesem Fall dem Album Opener „The River is Rising“, einer der härtesten und dynamischsten Kompositionen der Band bisher. Der Song beginnt mit einem bedrohlich akzentuierten Riff und einem tiefen Groove. Dieser baut sich zu einem für SMKC typischen Breitwand-Refrain auf, bei dem Kennedys Gesang über Wellen von Gitarrenmelodien reitet, bevor er in einen furiosen instrumentalen Sprint in Double Time ausbricht. Über, um, neben und innerhalb des Vollgas-Rhythmus-Galopps seiner Bandkollegen rast Slashs High-Speed-Solo. „Es packt einen sofort“, so Slash.
Und vom gewaltigen, andächtigen „Whatever Gets You By“, über die slinky Grooves und Talkbox-getränkten Gitarrenhooks von „C’est La Vie“, dem hymnischen Anschwellen von „The Path Less Followed“, dem Cowbell-Boogie-Shake von „Actions Speak Louder Than Words“ und dem schmutzigen Aerosmith-esken Funk von „April Fool“, bis hin zur wütenden Attacke von „Call Off The Dogs“ – „4“ lässt niemals locker!
Das ist ganz sicher ein Sound, den man von SMKC so noch nie zuvor gehört hat.
Mehr Beweise gefällig? Zum Beispiel das exotisch angehauchte „Spirit Love“, das von einem schnarrenden Slash-Single-Note-Thema eingeleitet wird, gespielt auf einer elektrischen Sitar (aber keine Sorge – es läuft immer noch durch „einen Marshall bei voller Lautstärke“, versichert Slash) und dann in einen psychedelischen Fiebertraum ausbricht, der von einem krachenden, hypnotischen Riff angeheizt wird. Kennedy: „Jedes Mal, wenn ich den Song höre, sehe ich eine Kobra, die vor einem Schlangenbeschwörer tanzt.“
Oder, am anderen Ende des Klangspektrums, der helltönende Pop-Rocker „Fill My World“. Ein Liebeslied mit Herz, auch wenn es, wie Kennedy zugibt, ein Liebeslied über seinen Hund ist, das mit unwiderstehlichen Melodien und einem von Slashs flüssigsten und ausdrucksstärksten Soli aller Zeiten erblüht.
Und dann ist da noch der Albumabschluss „Fall Back to Earth“, ein sechsminütiges Epos, wie Slash es nennt, überschwemmt von cineastischen Klanglandschaften und dramatischen Tonartwechseln, getragen von einer Trademark-Slash-Gitarrenhook.
„4“ bedient sich durch und durch einer breiten Palette von Klängen, Stilen und Stimmungen. Und das alles mit einem laserscharfen, musikalischen Fokus und einem starken Gefühl der Unmittelbarkeit.
„Jeder ist mit der Einstellung an die Sache herangegangen: ‚Okay, der rote Knopf wird gedrückt, die Bandmaschine läuft. Gib einfach Dein Bestes und vermassel es nicht!'“ sagt Kennedy mit einem Lachen.
Er vergleicht den Prozess mit einem Schnappschuss: „Man dokumentiert einen Moment in der Zeit und lässt die Dinge einfach so passieren, wie sie passieren sollen. Es ist ein anderer Ansatz, aber ein sehr menschlicher.“
Diese andere Herangehensweise ist nur einer von mehreren Aspekten, die SMKC dieses Mal verändert haben. Während die Band ihre letzten beiden Alben in L.A. mit Michael „Elvis“ Baskette aufgenommen hatte, entschied sie sich für Album „4“ nach Nashville zu reisen, um mit dem Grammy-gekrönten Produzenten Dave Cobb zu arbeiten, der unter anderem für die Rock- und Country-Projekte von Chris Stapleton, Jason Isbell, Rival Sons und Shooter Jennings bekannt ist.
„Dave und ich hatten diese großartige Unterhaltung, in der wir über [den berühmten Produzenten und Tontechniker] Glyn Johns, Live-Aufnahmen, Spontaneität sowie erste und zweite Takes sprachen – all diese Sachen, die genau mein Ding sind“, sagt Slash. „Nach dem Gespräch sagte ich: ‚Let’s do this!“
„Die Erfahrung war“, so Slash weiter, „wirklich einzigartig“. „Zunächst mussten wir während der Pandemie irgendwie nach Nashville kommen – und zwar sicher. Also dachte ich mir: ‚Wir nehmen einfach einen Tourbus‘. Das war schon ein Abenteuer für sich.“
Kennedy fügt hinzu: „Wir versuchten, wirklich vorsichtig zu sein, da die Gesamtsituation immer noch ziemlich riskant war. Wir trafen uns also in Las Vegas und bevor wir in den Bus stiegen, ließen wir uns alle testen. Als wir dann in Nashville angekommen waren, wurden wir erneut getestet. Bevor wir durch die Studiotüren traten, wurden wir erneut getestet. Wir hatten ein wasserdichtes Protokoll ausgearbeitet.”
Die Sessions für „4“, die in Nashvilles legendärem RCA Studio A stattfanden – „es ist dieser riesige, historische Raum, der früher das Studio von Chet Atkins war“, so Slash – gingen schnell voran.
„Ich erinnere mich, dass am Tag bevor wir das erste Mal ins Studio gingen, einer von Dave Cobbs Assistenten sagte: ‚Ihr werdet morgen Abend hier aufnehmen‘, erinnert sich Kennedy. „Und ich konnte es kaum glauben.“
„An diesem ersten Tag kamen wir rein, stellten die Backline mit ein paar Trennwänden auf und fingen an, live aufzunehmen, einfach so“, erzählt Slash. „Wir nahmen zwei Songs pro Tag auf – Gesang, Gitarren, Bass und Schlagzeug – und wir behielten alles. Dave ließ uns einfach unser Ding machen.“
Innerhalb einer Woche hatte die Band etwa 90 Prozent der Musik aufgenommen. Aber alles kam zum Stillstand, als Kennedy positiv auf Covid-19 getestet wurde. „Ich war der Erste, den es erwischt hatte“, sagt der Sänger. Kurz darauf folgten Kerns, Fitz und einer der Haustechniker.
„Wir wohnten in einem Airbnb in Nashville und alle mussten in Quarantäne gehen“, erinnert sich Slash. „Und ich saß da und dachte: ‚Vielleicht sollte ich in ein Hotel einchecken?‘ Aber ich wollte meine Band nicht im Stich lassen, nur weil einige krank waren.“
Stattdessen verlegten sie die Sessions einfach in das Airbnb. „Am Ende musste ich drei der Vocals – ‚Spirit Love‘, ‚Whatever Gets You By‘ und ‚Fall Back To Earth‘ – im Poolhaus fertigstellen“, sagt Kennedy. „Ich habe meine Vocals auf meinem Laptop aufgenommen und dann kam Todd und hat dort auch seine Backing Vocals eingesungen. Im Anschluss schickten wir die Dateien an Dave ins Studio.“
Slash konnte seine seine Gitarrenaufnahmen im RCA Studio beenden, wurde aber trotz aller Vorsicht schließlich ebenfalls positiv auf Covid getestet. Tatsächlich war Sidoris der einzige Conspirator, der einer Infektion entgehen konnte. „Also habe ich ihn nach Hause geschickt“, sagt Slash und lacht dann. „Ich sagte: ‚Du hast sowieso nichts mehr zu tun, also verschwinde von hier. Bleib weg von diesem gottverlassenen Ort!'“
Er fährt fort: „Es war wirklich eine Krisenzeit. Aber wir haben sie alle gemeinsam durchgestanden, also war es in gewisser Weise auch eine großartige Erfahrung und hat uns noch näher zusammengebracht.“
Diese Erfahrung spiegelt sich unmittelbar im Sound von „4“ wider: „Wenn ich mir ‚The River is Rising‘ anhöre, höre ich, dass ich zu dem Zeitpunkt schon ziemlich krank war“, sagt Kennedy. „Man kann es an meiner Stimme hören, wie verstopft meine Atemwege waren. Aber das ist das, was ich an dieser Platte wirklich interessant finde. Wir ließen diese Unvollkommenheiten einfach drin. Denn sie sind alle Teil der Geschichte.“
Es ist eine Geschichte, die sich auch nach zehn Jahren immer noch fortsetzt. „Das Besondere an dieser Band ist, dass sie sich von Beginn an stetig weiterentwickelt hat“, sagt Slash. „Und gerade wenn es so aussieht, als ob wir ein bestimmtes Level erreicht hätten, treffen wir uns ohne groß darüber nachzudenken und legen auf natürliche Weise noch einen drauf.“
Das ist bei „4″ ganz offensichtlich der Fall: „Ich habe das Gefühl, dass es in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung unserer gemeinsamen Arbeit ist, aber aufgrund der Art, wie das Album aufgenommen wurde, ist es auch eine Weiterentwicklung“, sagt Kennedy. „Die Songs wurden aufgenommen und aus einem anderen Winkel betrachtet, was dazu beigetragen hat, den Sound neu zu definieren.“
Und das wird die Band auch weiterhin tun. „Ich glaube, wir sind alle irgendwie erstaunt und angenehm überrascht, dass wir nach einem Jahrzehnt immer noch Platten machen und alle noch dabei sind“, fährt Kennedy fort. „Aber das liegt daran, dass wir lieben, was wir tun, und uns wirklich mögen.“ Er lacht. „Es ist vielleicht nicht so aufregend, wie einem Boxkampf auf der Bühne zuzusehen, aber es ist sicherlich etwas, bei dem die Leute spüren, dass wir mit Leib und Seele dabei sind.“
Slash stimmt dem zu. „Die Conspirators sind eine so einfache, unkomplizierte Band und so war es von Anfang an. Eine Band, in der jeder einfach nur zusammenkommen und spielen will. Und es gibt wirklich nicht vieles, was dazwischenkommen könnte. Wir stellen das Material zusammen und legen los. Und wenn wir damit fertig sind, gehen wir und machen andere Dinge.“
„Aber wir machen immer weiter“, fährt Slash fort, „weil wir es lieben, diese Platten zu machen und die Touren zu spielen und eine wirklich gute Zeit zu haben. Und so easy wie das auch ist, ist es gleichzeitig auch super, superwichtig, das zu haben. Wir tun es und es macht Spaß. Und deshalb werden wir es auch weiterhin tun.“